Erkennt ihr´s denn nicht?
Gottesdienst am 07.01.2007

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
das Jahreswort der Christen wird von einer Kommission ausgewählt, die mit diesem Bibelwort zum Glauben an Jesus Christus motivieren will, die Gegenwart von der Bibel her deuten möchte und für ein Jahr ein Geländer zur Verfügung stellt, das den Weg durch das Jahr unterstützt:
"Gott spricht: Seht, ich will ein Neues schaffen! Jetzt wächst es auf. Erkennt ihr´s denn nicht?" Jesaja 43,19

Vor drei Wochen kamen wir mit ein paar Leuten zufällig auf die Jahreslosung zu sprechen. Eine Frau meinte: "Mit dieser Jahreslosung kann ich gar nichts anfangen. Die Frage am Ende irritiert mich. Soll ich den Vers als Zuspruch oder als Vorwurf auffassen?" Ein anderer widersprach. Er fand den Spruch richtig gut. Er meinte, dass Gott eine Menge Neues bei uns entstehen lasse, unser Problem aber oft ist, dass wir sosehr am Alten hängen, dass wir Neues nicht wahrnehmen. Sicher kommt es bei der Jahreslosung auch auf den ersten Zugang an. Schön, wenn jemand den Spruch auf einem Plakat liest und sich sofort von Gott angesprochen fühlt.

Doch dieser Vers scheint eine Tiefendimension zu haben, er scheint einzuladen, ihn genauer zu studieren und den Schatz zu heben, der in ihm steckt. Vielleicht wird dann auch klar, warum eine Kommission sich für solch einen Vers entscheidet, sicher nicht nur aus einer guten Konjunkturlaune heraus oder weil letztes Jahr die Weltmeisterschaft so viel bewegt hat.

Das Wort des Jesaja steht in einem größeren Zusammenhang:

Jesaja 43,16-21

So spricht der HERR, der  im Meer einen Weg und  in starken Wassern Bahn macht, der ausziehen lässt Wagen und Rosse, Heer und Macht, dass sie auf einem Haufen daliegen und nicht aufstehen, dass sie verlöschen, wie ein Docht verlischt: Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige! Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht? Ich mache einen Weg in der Wüste und  Wasserströme in der Einöde. Das Wild des Feldes preist mich, die Schakale und Strauße; denn ich will in der Wüste Wasser und in der Einöde Ströme geben, zu tränken mein Volk, meine Auserwählten; das Volk, das ich mir bereitet habe, soll meinen Ruhm verkündigen. 
  • So spricht der Herr ... Gottes Wort hat Autorität auch für uns heute. Wir bekommen hier keine Lebensberatung aus einer Zeitschrift, sondern Gott selbst spricht mit uns. Er erinnert uns an seine Macht und seinen Willen. Seine Macht setzt er ein, um herauszurufen, zu retten und zu erlösen. Wir sind ihm so wichtig wie das Volk Israel damals in der babylonischen Gefangenschaft, auch 2007 will er herausrufen, retten und erlösen.
  • Gedenkt nicht mehr ... Scheinbar steht dieses Erinnerungsverbot im Widerspruch zu der Aufforderung , sich an die Herausführung aus Ägypten zu erinnern. Doch geht es Gott hier offensichtlich nicht um ein dankbares Zurückschauen auf Gottes Rettung in der Geschichte, sondern um das Festhalten der Klagen, des Jammerns, des Leides während des babylonischen Exils. Wer festhält am Schmerz über den Verlust wird nicht frei für das Neue, das Gott schenken möchte. Gott spricht so auch zu uns ohne babylonisches Exil. Er fordert uns auf, nicht an den vergehenden "guten Zeiten" festzuhalten, nicht mit Angst auf die Veränderungen der Zukunft zu schauen, die vielleicht weh tun könnten, sondern auf das Neue Gottes zu achten, das er schaffen will.
  • Ich will ein Neues schaffen ... Von Gott geht der Impuls zur Veränderung aus. Er lässt einen Weg durch die Wüste anlegen, er lässt Wasser sprudeln, dass die Wüste blüht. Wasser in der WüsteDoch will er, dass seine Herausgerufenen sich mit ihm auf den Weg durch die Wüste machen, den Weg benutzen, aus den Quellen trinken. Wer das Neue erleben will, muss aufbrechen und das Alte zurück lassen.
  • Erkennt ihr´s denn nicht? ... Offensichtlich liegt Gott viel daran, dass die Angesprochenen merken, dass er einen neuen Anfang macht. Er fordert heraus, genau hinzusehen und das Neue zu bemerken. Sicher sind die Leute damals im Exil der Meinung gewesen, dass sie bestimmt merken würden, wenn sich die politische Großwetterlage geändert hätte. Aber so selbstverständlich war es wohl nicht, denn Gott muss sie richtig auf das Neue stoßen. Ich spüre Gottes Enttäuschung, dass die Leute es nicht von selbst gemerkt haben, wohl auch gar nicht richtig erwartet haben, sich abfanden mit ihrer Situation und Gott nichts mehr zutrauten.
  • Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde ... Das Neue, das er gibt, ist Weg und Wasser. Diese Ansage Gottes hat Jesus Christus aufgenommen, der von sich sagt: "Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, den wird nie mehr dürsten. Und: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben." Etwas Neues hat Gott längst wachsen lassen, Jesus, seinen Sohn. Ist er uns schon so selbstverständlich geworden, dass wir ihn gar nicht mehr als neu erkennen?
  • Das Volk soll meinen Ruhm verkündigen ... Gottes Geschichte mit seinen Menschen geht weiter. Wer etwas mit Gott erlebt hat, das Neue entdeckt hat, soll es weitertragen. Die Herausgerufenen sind die Werbeträger Gottes und Hinweisschilder hin zu ihm.
Der Prophet Jesaja gibt mit diesen Gottesworten zu verstehen: Gott ist treu, und mitten in dunkelster Not schafft er Neues.

Wie können wir mit dieser Jahreslosung in diesem Jahr umgehen? Reicht es, sie einfach zur Kenntnis zu nehmen? Für mich ist das Fragezeichen wie eine einladende Geste Gottes, sich auf ihn einzulassen, das Neue mit Jesus zu entdecken und mich auf den Weg durch die Wüste zu machen, in der er mir alles schenken will, was ich brauche - Wasser und Pflanzen, ja sogar Blumen für die Seele.

Neben dieser sehr individuellen Zusage höre ich auch auf die Botschaft für unsere Gemeinde am Beginn des neuen Jahres. Wie können wir auf Gottes Frage antworten? Was bedeutet das Neue für uns als Gemeinde?

In einer Gemeinde wird zum Jahresanfang eine Gemeindeversammlung abgehalten. Der Pastor sieht dieser Veranstaltung wie jedes Jahr mit gemischten Gefühlen entgegen. Man will miteinander das Jahresprogramm aufstellen, aber so viele Interessen stoßen aufeinander. Herr Treu will alles so machen wie in den Jahren zuvor. Das Programm ist doch bewährt, warum sollte man etwas ändern? Frau Anders ist ganz anderer Auffassung. Sie will Veränderungen, den Gottesdienst auf familienfreundliche 11.30 Uhr verlegen, den Chor abschaffen, stattdessen eine Band gründen und dem Gemeindezentrum einen fröhlicheren Farbton verpassen. Es melden sich noch Leute, die für eine Friedensgruppe votieren, die die Männerarbeit stärken wollen, Obdachlose speisen wollen, vor allem endlich anfangen wollen, mit den kostbaren Spendengeldern zu sparen, oder den großen Kompromiss befürworten, dass jeder oder jede machen kann, was er oder sie will. Viele machen sich in dieser Gemeinde Gedanken um die Zukunft, sie steuern wichtige Ideen bei, doch wirkt das Gemeindeprogramm wie ein großer Sandkasten, in dem kleine Kinder spielen. Jedes Kind baut seine eigene Burg, es gibt keine große Linie, keine gemeinsame Bewegung in die Zukunft. 

Gottes Zusage bringt die verschiedenen Bewegungen und Vorhaben zusammen. Er schafft Neues, er lässt es aufwachsen. Es ist nicht an der Gemeinde, das Neue zu schaffen durch vielfältige Aktionen. Die Gemeinde kann sich aber in Gottes Bewegung und Gottes Schaffen hinein nehmen lassen, indem sie auf seinen Auftrag hört. Denn er will ja nichts ohne seine Gemeinde tun, wir sind Jesu Leib, von daher immer dabei, wenn er etwas bewegt. Was ist der Auftrag an die Gemeinde im neuen Jahr? Was sollen wir als unseren Auftrag erkennen, der Neues zum Ziel hat?
Jesus gibt dazu fünf Hinweise in den beiden Kernaussagen seiner Predigten.

Jesus sprach: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst" (Lukas 10,27)

1 Gott lieben 

Gott zu lieben ist der wichtigste Auftrag, den die Gemeinde Jesu erhält. Jesus geht es in erster Linie darum, dass wir ihn in unser Herz schließen, uns von seiner Liebe umfangen lassen, eine innige Beziehung zu ihm aufbauen. Lieben kommt vor Dienen. Gott zu lieben bedeutet nicht, dies und das für ihn zu tun. Gott zu lieben heißt, ihn anzubeten, sich über seine Gesellschaft zu freuen, gerne mit ihm einen Abend oder einen freien Tag zu verbringen, ihm zu vertrauen. Gott lässt wirklich etwas Neues wachsen. Menschen in unserer Umgebung sehnen sich zunehmend nach der Liebe Gottes und wollen diese Liebe zum Ausdruck bringen. In der Jugendarbeit entdecken wir dieses intensive Suchen nach Gottesnähe. Jugendliche lieben Worship, sie nehmen begeistert Angebote wahr, die ihre Sinne ansprechen und sie dieser Liebe vergewissern. Sie suchen Gottes Liebe in einer Umwelt, die ihnen bedingungslose Liebe mehr und mehr versagt. Erkennen wir diese Sehnsucht und antworten wir auf sie? Sprechen wir unsere Mitmenschen auf dieser Ebene an? Oder erwarten wir von ihnen, dass sie mit uns rationale Diskussionen über Bibelstellen führen, die sie innerlich kalt lassen und wenig berühren? Brechen wir auf, um uns von Gott das Neue zeigen zu lassen und von ihm die Inspirationen schenken zu lassen, als Gemeinde dieser Ort der Liebe zu sein?

2 Gott dienen

Unsere Nächsten zu lieben ist nur möglich, weil wir in einer festen Liebesbeziehung zu Gott leben. Wenn wir uns darauf einlassen und uns für unsere Mitmenschen einsetzen, dienen wir Gott. Er hat nichts davon, wenn wir an möglichst vielen kirchlichen Veranstaltungen teilnehmen. Er erwartet nicht von uns, dass wir Treuepunkte in Gottesdiensten sammeln. Er will, dass wir durch die Gemeindeveranstaltungen das Werkzeug bekommen, um uns für Menschen in unserer Umgebung einzusetzen. Neues lässt Gott unter uns wachsen. Neue Menschen kommen in unseren Gesichtskreis, wir werden herausgefordert, ihnen geistlich, emotional und physisch beizustehen.

Darum gehet hin und  machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe,  ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. (Matthäust 28,19-20)

3 Gehen und zu Jüngern machen

Eine Studie an 1000 unterschiedlichen Gemeinden in Amerika brachte zu Tage, dass 89% der Gemeindeglieder erwarteten, dass die Gemeinde für sie und ihre Familien da sei. 11% sagten, die Gemeinde wäre für Menschen da, die Jesus noch nicht kennen. Tatsächlich gibt Jesus den 11% Recht. Gemeinde ist eine Vertreterversammlung, die Jesus überall bekannt machen will. Wer hinaus geht, die Kirchentür hinter sich lässt, ist schon als Vertreter und Vertreterin unterwegs, hat Jesus weiterzusagen. Jesus lässt Neues aufwachsen. Er schenkt uns in diesem Jahr viele Situationen, wo unser Zeugnis gefragt ist. Er bereitet Menschen auf unsere Aussagen vor. Doch ist es unser Bedürfnis, von Jesus weiterzuerzählen? Ist uns klar, dass wir die beste aller Botschaften haben, das Mittel gegen den Tod? Und bereiten wir uns selbst im Gebet auf diese Vertreterdienste vor?

4 Tauft sie

Taufen haben in unserem Gemeindeleben nur einen kleinen Platz. Viel mehr erleben wir Bibellesen, Gebet, Abendmahl, Seelsorge. Warum erwähnt Jesus im Missionsbefehl ausdrücklich die Taufe, noch dazu, wo sie zu so vielen Spaltungen in der Kirchengeschichte geführt hat? Wohl deshalb, weil die Taufe uns in die Gemeinschaft der Kinder Gottes hineinstellt. Mit der Taufe werden wir in Gottes Familie aufgenommen. Gott schafft Neues. Die Bedeutung der Taufe gilt es ganz neu zu entdecken. Wir erleben eine zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber Denominationen. Ob katholisch, evangelisch, charismatisch oder freikirchlich, entscheidend ist für Menschen, die am neuen Ort eine Gemeinde suchen, dass sie Gott begegnen können, dass Jesus Christus die Mitte ist und sie Menschen finden, die authentisch ihren Glauben leben. Besinnen wir uns auf die Taufe, wird es einfach, einander anzunehmen und als Familie zu begreifen, auch wenn wir unterschiedliche Sozialisationen durchlaufen haben.

5 Lehrt sie

Jesus will nicht einen neuen Staubsauger verkaufen. Ihm reicht es nicht, eine Taufurkunde auszustellen ähnlich einem Kaufvertrag. Er möchte Menschen, die zu ihm gehören, in die Lebensschule aufnehmen. Er will sie formen und herauslocken, dass sie ihr Potential entfalten. So hat Gemeinde auch 2007 die Aufgabe zu lehren. Wie nehmen wir diese Aufgabe wahr? Und was hilft alles Lehren, wenn keiner lernen will? Ich bin gespannt, ob wir hierfür mehr Begeisterung wecken können, von Jesus zu lernen und uns von ihm verändern zu lassen.

Gott schafft Neues, wir werden Augenzeugen sein dürfen. Ob wir es wirklich erkennen, wird offenbar, wenn wir uns dem Neuen stellen, aufbrechen und kreative Wege suchen, um unserem Auftrag gerecht zu werden.

Cornelia Trick


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