Gott lieben
Gottesdienst am 14.01.2007

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
letzten Sonntag habe ich fünf Aufträge für die Gemeinde im neuen Jahr formuliert. Im Gespräch über diese Aufträge wuchs der Wunsch, sie genauer anzuschauen, miteinander ins Gespräch darüber zu kommen und als ganze Gemeinde daran beteiligt zu werden, diesen Aufträgen gerecht zu werden. So möchte ich heute den ersten Auftrag in den Mittelpunkt stellen und ihn als Hausaufgabe mitgeben: dass wir alle uns während der neuen Woche überlegen und die Gedanken dazu aufschreiben, wie dieser Auftrag von uns als Einzelne und als Gemeinde verwirklicht werden kann. Nächsten Sonntag werden wir Ihre aufgeschriebenen Gedanken einsammeln und auswerten. So kommt Bewegung in unsere Gemeinde und wir sind alle beteiligt, an ihr mitzubauen.

Der erste Auftrag lautet: "Gott lieben". Es geht bei diesem Auftrag um die grundlegende und feste Verankerung in der Liebesbeziehung mit Gott. Wie bei einem Hausbau, ist auch bei der Gemeinde das Fundament die Hauptsache. Ist das Fundament klein und wackelig, wird kein großes Haus darauf errichtet werden können. Ist das Fundament groß und tragfähig, wird das Haus groß und stabil werden. Die Liebe zu Gott entscheidet in der Gemeinde darüber, wie tragfähig eine Gemeinde sein kann, wie viel Platz sie für Menschen bietet, die Jesus suchen, und wie stabil sie ist, wenn Stürme aufkommen. Deshalb ist es so wichtig, über das grundlegende Fundament ins Gespräch zu kommen und auf es alle Mühe zu verwenden.

Das Fundament der Liebe zu Gott können wir nur bauen, weil Gott seine Liebe uns geschenkt hat, das Baumaterial, aus der das ganze Gemeindehaus bestehen wird. Er ist immer schon den ersten Schritt auf uns zu gegangen. Er hat uns ins Leben gerufen, er ist für uns Mensch geworden, um uns seine absolute Nähe zum Ausdruck zu bringen. Er ist für uns gestorben, um die Schuld, die uns von ihm trennt, aus dem Weg zu räumen. Er ist für uns auferstanden, damit unser Lebensweg nicht in diesem Tod endet, sondern Zukunft hat bis in Ewigkeit. So ist Gott der, der uns mit allem Baumaterial für das Leben versorgt und der uns den Baumeister Jesus mitgibt.

Doch ein groteskes Bild entsteht. Gott stellt einen vollen Baumarkt zur Verfügung inklusive Baumeister, doch die Leute gehen an diesem Angebot vorüber. Sie wohnen in Favelas mit Dächern aus Plastiktüten und sehen nicht die Liebe des Baumarktbesitzers, der ihnen alles zur Verfügung stellt, was sie für ihr Lebenshaus brauchen.

Wer von diesem Baumarkt Material holt, wer sich auf den Baumeister Jesus einlässt, erfährt Gottes Liebe. Und er antwortet, weil er das Angebot wahrnimmt und nicht achtlos daran vorbeiläuft. Doch wie sieht dieses Antworten nun aus? Was ist mit "Gott lieben" gemeint?

Jesus wurde von den religiösen Meinungsmachern Israels in die Mangel genommen. Sie wollten den Punkt an ihm treffen, der auf Gotteslästerung hindeutete. So befragten ihn erst die Sadduzäer. Sie wollten seine Aussagen zum ewigen Leben unmöglich erscheinen lassen. Jesus hielt ihnen im Kreuzverhör stand. Danach versuchten es die Pharisäer. Sie wollten ihm nachweisen, dass er sich zu Unrecht Gottes Sohn nannte. Sie erwarteten, dass er auf die Frage nach dem höchsten Gebot zur Antwort gab, dass man ihn ehren sollte. Doch Jesus hielt auch ihnen stand. Er antwortete:

Matthäus 22,37-38

"Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt" Dies ist das höchste und größte Gebot.

Mit dieser Antwort bestätigte er die Gebote Gottes, die auch die Pharisäer einhielten. Erst die Diskussion im Anschluss offenbarte die Differenzen. Jesus selbst hielt ihnen vor Augen, dass er nicht Davids Sohn, sondern Gottes Sohn war. Dass er diesen Titel zu Recht trug, zeigte er den Pharisäern durch seine Souveränität. Er offenbarte sich selbst, ihre wohl überlegten Fangfragen konnten Jesus nicht in die Enge treiben.

Doch nun zurück zum höchsten und größten Gebot, Gott zu lieben mit Einsatz des ganzen Lebens.

Die Leiter

Gott zu lieben, ist nicht eine Entscheidung neben vielen anderen, so etwa "ich höre lieber diese Musik, aber auch die", "ich finde im Fitnessstudio meinen Platz, aber auch im Karnevalsverein". Gott zu lieben ist eine grundlegende Entscheidung, die Entscheidung, auf dieses Fundament zu bauen und nicht auf ein anderes.

Stellen wir uns vor, das Leben wäre eine Leiter. Leiter an einer WandJede Sprosse bringt uns weiter auf dem Lebensweg. Nun ist es ganz entscheidend, die Leiter unseres Lebens an die richtige Wand anzulegen. Wer die Leiter an Gott anlegt, der wird oben auf der letzten Sprosse über die Kante hinausschauen und feststellen, dass es mit Gott weitergeht. Die vordergründige Wand ist nicht das Letzte, sondern der Weg führt nach dem Aufstieg weiter. Verheerend, wer auf der letzten Sprosse erst feststellt, er hat seine Leiter ein Leben lang an die falsche Wand angelegt. Der Weg führt nicht weiter. Alles war umsonst. Was er meinte, aufgebaut zu haben, stürzt in sich selbst zusammen. Wer sein Leben mit der Überschrift "Gott lieben" versieht, ist auf der richtigen Leiter unterwegs. Die Sprossen tragen vielleicht Namen wie "auf seine Stimme hören", "an ihm festhalten", "bei ihm bleiben, auch wenn es beschwerlich ist", "Jesus folgen". Diese Sprossen folgen der Grundsatzentscheidung, die Lebensleiter an Gott anzulehnen und nicht an andere Wände.

Außer Konkurrenz

Klar, dass man nicht auf zwei Fundamente gleichzeitig bauen kann, klar, dass die Leiter nicht an zwei Wänden gleichzeitig angelehnt sein kann. Und doch, versuchen wir nicht manchmal, das Unmögliche zu realisieren? Wir stellen die Leiter an Gott an und hangeln uns zur anderen Seite. Wir wollen Gott dienen und dienen in erster Linie uns selbst. Wir wollen unser Haus auf Gott bauen, wenn wir aber beruflich oder privat den Boden unter den Füßen verlieren, können wir uns nicht auf das tragende Fundament Gottes verlassen. Wir bleiben innerlich obdachlos, statt dem Fundament Gottes zu trauen gerade in der Not.

Dieses "Ich", das uns in den Weg kommen kann, möchte ich genauer anschauen. 

Das "Ich" stillt seine Bedürfnisse schnell
Die Shell-Studie von 2002 zur Situation der Jugend in Deutschland bringt den Begriff "Egotaktiker" ins Gespräch. Damit sind junge Leute gemeint, die ihre soziale Umwelt ständig darauf prüfen, wo sie selbst in ihrer persönlichen Entwicklung stehen und wie sie die ihnen gebotenen Chancen optimal nutzen können. Was ein gutes Gefühl macht, ist für sie das Beste, und sie wollen ihre Bedürfnisse so schnell wie möglich befriedigen. Frusteinkäufe, wechselnde Beziehungen, abgefahrene Kurzreisen oder andere Kicks sind Ausdruck dessen. Der Studie zufolge gehört zu dieser Haltung Bequemlichkeit, Anpassungsfähigkeit und der Riecher für die Chance, die es zu nutzen gilt. Egotaktiker haben sich nicht selbst erfunden, sie sind Spiegel unserer Gesellschaft. Nicht nur Jugendliche verhalten sich so. Im Gegenteil, sie lernen es bei den Älteren. Wer als Egotaktiker seine Leiter besteigt, wird Gott für den schnellen Kick durchaus schätzen. Aber wird er oder sie sich von Jesus formen lassen? Wird er oder sie die Kraft haben, dranzubleiben, auch wenn das Verzicht auf schnelle Bedürfnisbefriedigung bedeutet?

Das "Ich" setzt sich zum Maßstab für Gott
Doch das "Ich" kann auch in anderer Weise mit Gott in Konkurrenz geraten. Nämlich dann, wenn ich meine Erfahrungen absolut setze und Gott nicht mehr zutraue als das, was ich erlebt habe. Vielleicht ist dieses Ich noch viel mehr in Konkurrenz zu Gott als das taktische. Es setzt sich absolut und gibt die Führung nicht aus der Hand. Wie groß ist Gottes Liebe, dass er sich nicht auf unseren kleinen Horizont beschränken lässt, sondern immer größer ist als unsere Erfahrungen. Wenn es jemand heute schlecht geht und sie die Hand Gottes unter ihr nicht spüren kann, dann darf sie wissen, Gott ist da, er hält die Hand auch darunter, wenn sie unsichtbar und untastbar bleibt. Er lässt niemals los. Darauf zu bauen, die Leiter an der Wand zu lassen, auch wenn der Blick nach unten schwindelig werden lässt, ist Gottvertrauen und Liebe zu Gott.

Gehen mit Gott

Adam und Eva wurden von Gott jeden Tag im Paradies besucht. Er ging mit ihnen durch den Garten und wird die Tagesereignisse mit ihnen besprochen haben. Es war für Adam und Eva sicher kein Arbeitstreffen, wenn sie Gott im Garten trafen. Sie werden sich auf diese Zeit gefreut, sein Glück über die Schöpfung geteilt, neuen Mut für einen neuen Tag bekommen haben.

Nachdem die beiden die verbotene Frucht gegessen hatten, lag die Sache eindeutig anders. Sie versteckten sich vor Gott, als er zum abendlichen Spaziergang vorbei kam. Sie wollten nicht mit ihm reden. Gott musste sie erst rufen: "Adam, Eva, wo bist du?"

Jesus ist Mensch geworden, damit wir wieder jemand haben, mit dem wir gehen können, der uns fragt nach unserem Tag, der uns ermutigt und uns zeigt, was dran ist. Mit Jesus können wir paradiesisch Zeit verbringen, aus Freude, dass wir uns lieben. Stille für Gott, für Jesus einzuplanen, sollte für Christen die größte Freude und Selbstverständlichkeit sein. Jesus besucht uns doch in unserem Alltag. Er möchte mit uns Kontakt haben. Nicht im Sinne eines Arbeitstreffens, wo wir geprüft werden und Strategien erarbeiten müssen, sondern im Sinne eines liebevollen Austausches, wo beide ihre Ohren offen haben füreinander und sich ihrer Liebe neu vergewissern. Ist Ihre "Stille Zeit" ein Ort der Liebe? Oder versuchen Sie, diese Zeit wie ein Geschäfts-Meeting zu füllen? Oder geht es Ihnen wie Adam und Eva nach dem Apfel, dass Sie sich eigentlich verstecken, wenn Gott sie zum Gespräch ruft?

Gott zu lieben ist kein Krampf, kein Kampf und kein Versteckspiel. Gott zu lieben ist Chance und Kraftquelle an jedem Tag. Vielleicht hilft eine neue Art, diese Zeit zu gestalten, ein Spaziergang wie im Garten Eden in Zwiesprache mit Jesus, eine besondere Parkbank, ein Lieblingsplatz in der Wohnung ganz allein. Und vielleicht hilft auch ein Zettel nach diesem Treffen, auf dem festgehalten wird, was Jesus in dieser Zeit gesagt hat, was in den Sinn gekommen ist, was sich ganz nach oben auf die Prioritätenliste geschoben hat.

Echt, persönlich, praktisch

In einem Buch las ich vor einigen Tagen die Aussage, dass Jesus uns echt, persönlich und praktisch liebt. An diesen drei Stichworten bin ich hängen geblieben und habe sie mir zu Herzen genommen.

Jesus liebt uns echt. Er liebt uns auch dann noch, wenn wir unsere Leiter längst für uns endgültig an einer anderen Wand angelegt haben. Er liebt uns, wenn wir bis zum Schweinehirt abgesunken sind oder seine Liebe weiträumig meiden. Er ist der einzige, der uns ohne jede Vorbehalte und von Anfang bis Ende lieben wird. Das ist Grund, diese Liebe wirken zu lassen und sich ihr auszusetzen im Gebet und im Hören auf ihn.

Jesus liebt uns persönlich. Er geht auf unsere ganz speziellen Liebesbedürfnisse ein. Er tat das in seinen Begegnungen mit Menschen. Den einen heilte er, einem anderen vergab er Schuld, einer dritten öffnete er den Weg ins bürgerliche Leben, einen vierten brachte er dazu, ergaunertes Geld zurückzugeben. Jesus zeigt damit Gottes Wege mit uns, der sich persönlich um uns kümmert. Doch persönlich heißt nicht privat. Er kümmert sich nicht um uns, um uns dann allein zu lassen in unserer Privatsphäre, sondern ruft uns zur Gemeinschaft mit ihm und untereinander zusammen. Seine Hilfe besteht darin, dass er uns in seine Gemeinde eingliedert, wo er uns persönlich haben will. Wo zwei oder drei sind, da ist er auch.

Und Jesus liebt uns praktisch. Gott gab Adam und Eva Fellkleider, als sie sich nackt fühlten. Er gab den Israeliten Manna, Wachteln, Wasser. Er liebt uns auch heute praktisch. In der Beziehung mit Gott zu leben, ihn zu lieben lässt uns erfahren, dass er sich praktisch um uns kümmert und dass er uns praktisch werden lässt. Gottesliebe ist kein Mythos von glücklichen Gefühlen, sondern äußert sich echt, persönlich und praktisch.

Wenn die Einzelnen einer Gemeinde in Gottes Liebe leben, ihre Leitern an die richtige Wand ansetzen, Gott ohne Konkurrenz die erste Stelle bei ihnen hat und sie mit ihm gehen, dann wird diese Liebe auch in der Gemeinde Raum einnehmen. Doch wie sieht "Gott lieben" in der Gemeinde aus? Das möchte ich Ihnen als Hausaufgabe mitgeben:

  • Wie setzen wir als Gemeinde dauerhaft die Leiter an die richtige Wand?
  • Welche Schritte, Veranstaltungen, Impulse helfen dabei?
  • Wie können wir mit ihm gehen im Sinne einer vertieften Gemeinschaft?
  • Brauchen wir mehr Gebetszeiten, eine Anbetungszeit im Gottesdienst, Hilfen, zur Ruhe zu kommen?
  • Wie können wir Gott miteinander echt, persönlich und praktisch lieben?
  • Wie erfährt meine Gemeinde, dass ich Gott so lieben will?
Cornelia Trick


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