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Liebe Gemeinde, liebe Schwestern
und Brüder,
Dieses Gefühl, sich wie neu geboren zu fühlen, beschreibt die Bibel. Wenn ein Mensch von Gott berührt wird, reagiert, sich buchstäblich zu Gott umdreht und sich in dessen ausgebreitete Arme fallen lässt, wird er von Neuem geboren, so hat es Jesus dem Pharisäer Nikodemus erklärt, als der ihn nachts besuchte. Neu geboren heißt, an Gottes Kraft angeschlossen zu sein, von seiner Liebe durchströmt zu werden, nun den Heiligen Geist als den Stellvertreter Jesu im Herzen zu haben. Eine neue Geburt setzt Freude, Jubel und Gotteslob frei. Ich bin Gott so wichtig, dass er mich annimmt und für mich da sein will. Diese Freude durchdringt den ganzen Alltag, nicht nur Sonntage. Der Petrusbrief ist an mehrere Gemeinden in der heutigen Türkei gerichtet. Der Apostel erinnert mit diesem Brief daran, wie der Glaube begonnen hat, mit einer neuen Geburt, mit Freude und Zuversicht. Die gegenwärtige Lage der Christen war schwierig. Sie wurden verfolgt und von ihren Mitmenschen geschnitten. Ihr Glaube stand auf dem Prüfstand. Lohnte es sich überhaupt, sich zu Jesus zu halten? Der Apostel wollte die Christen ermutigen: Bleibt dran und gestaltet euren Alltag aus der Kraft, die Gott euch schenken will. 1.Petrus 1,3-5 Petrus setzt voraus, dass seine Leser wissen, was eine neue Geburt bedeutet. Unsere Geburt ist immer ein Geschenk, das wir nicht selbst in der Hand haben. Wir können uns nicht selbst auf die Welt bringen, und wir können uns nicht selbst an Gottes Kraft anschließen. Dazu brauchen wir Hilfe, z.B. die Hilfe unserer Eltern und auf jeden Fall die Hilfe Jesu, der uns mit Gott in Kontakt bringt. Durch die neue Geburt gehören wir nun in eine neue Familie, wir haben Gott zum Vater und die anderen Christen zu Geschwistern. Durch uns strömt die Liebe Gottes, die uns verbindet. Das hat konkrete Auswirkungen. Wir haben Kraft, die vorher nicht da war. Als hätte uns jemand an eine Steckdose angeschlossen, bekommen wir Kraft, Zuversicht, Vertrauen und Liebe geschenkt. Die Alltagsprobleme bleiben vielleicht die gleichen, aber sie sind nicht mehr erschlagend. Hoffnung ist da. Unser Blick wird nach vorne gerichtet. Es ist nicht das Hoffen, dass alles so bleibt, wie es ist und nicht noch schlimmer wird, sondern ein Hoffen, dass aufbrechen lässt voller Zuversicht. Auch wenn das Haus abbrennt, weiß ich mich in Gottes Hand und von ihm geführt. Er wird mich nicht allein lassen, sondern hat ein Ziel für meine Lebensreise. An diesem Ziel wartet ein Erbe im Himmel. Nicht eine Schatzkiste, sondern die Gemeinschaft mit Jesus Christus. Wie sich das anfühlen wird, können wir uns nur in Bildern vorstellen. Dass wir zuhause sind, dass alle offenen Fragen des Lebens beantwortet sind, dass wir mit Gott und Menschen im Reinen sind, darum geht es wohl. Diese neue Geburt ist für uns anders als damals oft nicht mit einem Datum zu erfassen. Wir sind eher hineingewachsen in dieses neue Leben, wenn wir von Kindheit an die Liebe Gottes in Familie und Gemeinde erfahren haben. Erst im Nachhinein können wir dann fassen, dass es da einen Einschnitt gegeben haben muss. Die Auswirkungen sind deutlich. Wir haben Freude an der Gemeinschaft mit Jesus Christus, es fällt uns leicht zu beten. Wir erfahren seine Nähe im Alltag, spüren seine Gegenwart und können seine Zeichen erkennen. Eine Jugendliche beschrieb es so: Früher ging ich in die Kirche, weil man das eben so machte. Jetzt will ich da unbedingt hin, radele morgens früh 6 km zur Gemeinde und zurück den Berg hinauf. Ich brauche das und merke, wie der Kontakt zu Gott und Christen meinen Alltag verändert. Eine tiefe Dankbarkeit durchdringt uns. Wir wissen uns beschenkt und erkennen unsere Abhängigkeit von Gott und seinem Segen. Statt den Mangel zu sehen, schauen wir auf das, was wir haben und freuen uns daran. Wir erleben Heilungen. Unsere inneren Wunden werden von Gott verarztet. Er nimmt sich unserer Defizite an, er streicht über unsere verletzte Seele. Er schenkt uns Selbstwert und Mut, schwierige Beziehungen zu klären. Wir bemerken Veränderungen. Der Blick auf das Leben und die Welt verändert sich. Nicht ich weiß, wie alles laufen soll, sondern ich weiß mich im Dienst Gottes, von dem ich Hilfe erwarte. Mein Egoismus wird abgeschliffen. Nicht um mich dreht sich die Welt. In einer Gruppe von jungen Christen beschwerte sich ein Mädchen. Sie klagte, dass sich die Gruppenleiter viel mehr um die kümmerten, die noch nicht zum Glauben gekommen oder ganz jung im Glauben waren. Sie meinte, auf sie, die schon länger dabei sind, würde niemand Rücksicht nehmen. Es folgte ein interessantes und wichtiges Gespräch, in dem die Gruppenleiter dem Mädchen deutlich machten: Du bist an Gottes Kraft und Liebe angeschlossen. Du hast das Größte, das wir Menschen bekommen können, einen liebenden Vater im Himmel. Jetzt bist du dran, andere in seine Gegenwart zu bringen, etwas von dem abzugeben, was du dauernd geschenkt bekommst. Du bleibst für Gott unendlich wichtig, da kannst du hier in der Gruppe ruhig in die zweite Reihe treten und denen den Vortritt lassen, die Gott noch nicht kennen. Der 1.Petrusbrief erklärt dann sehr genau, wie Christen ihren Alltag zu gestalten haben. Er übersetzt die Liebe Gottes in seine Zeit und seine Gesellschaft. Wir haben diese Aufgabe wieder für uns neu zu buchstabieren. Wir leben in einer anderen Gesellschaftsform und haben neue Herausforderungen. Wir müssen uns genauso wie die Christen damals fragen: Was will Gott von mir als Ehefrau und Ehemann, als Alleinstehende, als Eltern und mit Eltern, als Gemeindeglied, als Bürger, als Mitmensch, im Beruf? Da gibt es keine einfachen Patentrezepte, sondern immer wieder neues Nachdenken, Entscheiden, auch falsch Entscheiden und hinterher Korrigieren. Hier ist die Gemeinde gefragt, die miteinander über diese Fragen nachdenkt und erwartet, dass Gott ihr durch seinen Geist hilft, die richtigen Antworten zu finden. 1.Petrus 1,6-7 Eine besondere Herausforderung stellt für den Glauben das Leiden dar. Christen wurden damals verfolgt, alles Schlechte schob man ihnen in die Schuhe, sie waren an allem schuld. Warum, so fragte man sich, müssen Christen leiden? Warum bekommen sie keinen Schutz von oben? Warum sollte man Christ sein, wenn das Leben durch den Glauben noch schwieriger wurde? Petrus vergleicht Glauben mit der Gewinnung von Gold. In der Schmelze wird das kostbare Edelmetall gewonnen, alles andere wird im Feuer vom Gold gelöst. Leiden, Anfechtungen und Probleme, so sagt es der Apostel, sind wie eine Feuerschmelze. Was übrig bleibt, ist die feste Gottesbeziehung, die den Tod überdauert. Sehr wichtig scheint mir das Gottesbild, das hinter diesem Vergleich steht. Ist Gott der Prüfer, der sich freut, wenn möglichst viele durch die Tests durchfallen? Als ich Examen machte, fielen in unseren Jahrgängen ein Drittel der Kandidaten durch. Es wurde gesiebt, weil es für die vielen Bewerber zu wenige Pfarrstellen gab. Da hatten wir schon die Vorstellung, dass Prüfer die Examenskandidaten extra hart prüften, um viele durchfallen zu lassen. Eine Vorstellung, die wahrscheinlich nur unserer Angst und Phantasie entsprang. Sehen wir Gott so, erscheint er als erbarmungsloser Prüfer, der sich freut, wenn wir versagen. Leiden bereitet uns Angst, wir fühlen uns allein gelassen und fürchten zu versagen. Aber warum sollte Gott Freude am Durchfallen haben? Ist nicht sein innigster Wunsch, dass wir das Leben, das er uns geschenkt hat, bestehen? Steht er nicht bei uns und will uns Hilfestellung geben, wenn wir über hohe Hindernisse springen müssen? Und liegt es vielleicht an uns, wenn wir seine Hilfestellung ignorieren? Ganz anders, wenn wir Gott als Trainer begreifen, der das Beste aus uns herauslocken will. Ein Trainer im Hochsprung zum Beispiel wird die Latte kontinuierlich Zentimeter um Zentimeter nach oben schieben. Dabei wird es viele Fehlversuche geben, aber auch eine Entwicklung. Der Sportler wird immer höher springen können, bis er die Olympia-Norm erreicht und vielleicht sogar eine Medaille gewinnt. Er unterzieht sich dem Training freiwillig und weiß, dass Fehlversuche und Schmerzen dazugehören. So wird uns Gott nicht von allem Leiden befreien. Wir brauchen auch harte Zeiten, um in unserem Vertrauen zu Gott zu wachsen und uns weiterzuentwickeln. Leiden kann uns die Luft zum Atmen nehmen, aber Jesus steht dafür ein, dass wir nicht allein sind. Er hilft uns, auch durch schwere Erfahrungen als Christen heranzuwachsen und nicht einfach im Babybett liegen zu bleiben. Dabei wird unser Vertrauen stärker und unsere Gottesbeziehung fester. Daraus entsteht uns Kraft und Hoffnung, die nach vorne zieht. Gottes Liebe können wir in den dunklen Zeiten besonders intensiv erleben, sie ist kein Sahnetupfer auf einer sowieso schon üppigen Torte, sondern Kraftriegel, der das Überleben sichert. Am Ende des 1.Petrusbriefes heißt es: „Alle eure Sorge werft auf Gott, denn er sorgt für euch.“ (1.Petrus 5,7). Diese Gewissheit wächst, wo immer wir es ausprobieren, unsere Not von ihm tragen zu lassen. Cornelia
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