Kreuzungen des Lebens (Apostelgeschichte 8,27-31+35-39)
Gottesdienst am 7.6.2020 in Brombach

Liebe Gemeinde,
in Corona-Zeiten Geburtstag zu haben, ist herausfordernd. Eine große Party kann man nicht veranstalten, wenn nur zwei Haushalte zusammenkommen können. Die Möglichkeiten zum Feiern sind schnell erschöpft. So konnten wir mit einer guten Freundin leider auch nicht feiern. In Gedanken bei ihr, machten wir an dem Tag eine kleine Wanderung im Taunus. Als wir gerade vom Parkplatz in einem kleinen Taunusort wegliefen, trauten wir unseren Augen kaum, an der Ampel hielt das Auto mitsamt unserer Freundin. Es gab ein großes Hallo auf der Straße und ein Staunen, wer uns hier zusammengebracht hatte. War es der Heilige Geist?

Von solch einer Begegnung berichtet die Apostelgeschichte. Durch eine Verfolgungswelle in Jerusalem, wurden die Christen der Urgemeinde dort in alle Winde zerstreut. Doch für die Ausbreitung des Evangeliums von Jesus Christus wurde das zur Chance. Christen kamen aus ihrer Wohlfühl-Gemeinde heraus in Kontakt zu Menschen, die sie sonst nie getroffen hätten. Überall entstanden neue Gemeinden. 
Philippus, ein leitender Mitarbeiter in der Jerusalemer Gemeinde, fand sich in Samaria wieder und begann dort eine Gemeindearbeit. Mittendrin begegnete ihm ein Bote Gottes und schickte ihn auf eine menschenleere Straße nach Gaza, viele Kilometer südlich von Samaria. Machte das Sinn? Für Philippus sicher nicht, der doch in seiner Gemeindeneugründung dringend gebraucht wurde. Doch er stand auf und ließ sich auf das Abenteuer Gottes ein.

Apostelgeschichte 8,27-31
Philippus stand auf und ging dorthin. Und sieh doch: Dort war ein Äthiopier unterwegs. Er war Eunuch und hoher Beamter am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien. Er verwaltete ihre Schatzkammer und war nach Jerusalem gekommen, um Gott anzubeten. Jetzt war er auf der Rückreise. Er saß in seinem Wagen und las im Buch des Propheten Jesaja. Der Heilige Geist sagte zu Philippus: »Geh hin und bleibe in der Nähe des Wagens!« Philippus lief hin und hörte,wie der Mann laut im Buch des Propheten Jesaja las. Philippus fragte: »Verstehst du eigentlich, was du da liest?« Der Eunuch sagte: »Wie soll ich es verstehen, wenn mir niemand hilft?« Und er bat Philippus: »Steig auf und setz dich zu mir!«

Der Mann aus Äthiopien
Auf der menschenleeren Straße fuhr ein einsamer Wagen mit einem Mann, der eine Schriftrolle des Propheten Jesaja las. Wir können nur Vermutungen über den Äthiopier anstellen. Er hatte wohl Interesse, den Gott Israels besser kennenzulernen, ist extra nach Jerusalem gereist, um ihm da näher zu sein. Er war ein hoher Beamter am königlichen Hof, als solcher musste er Eunuch sein. Wollte er der jüdischen Religion näherkommen, weil er sich für den einen Gott interessierte? Er hatte in Jerusalem offenbar eine Schriftrolle erworben, die sollte ihm Auskunft geben, aber er konnte Jesaja beim besten Willen ohne Hilfe nicht verstehen.

Wie würden wir den Mann heute beschreiben? Ich stelle ihn mir vor als einen Menschen auf der Suche. Er hat eine Krisenerfahrung gemacht. Vielleicht ist gerade seine Beziehung zerbrochen. Vielleicht ist er im Beruf an Grenzen gestoßen. Vielleicht sind seine oder ihre Eltern gestorben, vielleicht hat sie den Eindruck, ihr Leben neu sortieren zu müssen. 

Jedenfalls hat dieser Mensch, Mann oder Frau, eine Sehnsucht im Herzen, sich zu verändern, einen neuen Horizont zu bekommen oder einfach Ruhe für die Seele zu finden. Vielleicht ist dieser Mensch auch in Corona-Zeiten einfach müde und braucht Hoffnung, dass nicht alles den Bach runter geht, sondern sich Gott um ihn kümmert.

Dieser Mann, diese Frau verirrt sich in eine Kirche, landet auf einer Webseite und hört den Hinweis, in der Bibel zu lesen. Sie kauft sich eine und fängt an. Doch spätestens bei den Geschlechtsregistern der ersten Kapitel in der Bibel gibt sie auf. Was hat das mit ihrem Leben zu tun?

Philippus
Da steht Philippus an der Kreuzung und nimmt den Äthiopier wahr: „Verstehst du, was du liest?“ Er hört zu, wo Fragen sind. Er antwortet auf die Fragen und erreicht sein Gegenüber. 

Schauen wir uns Philippus heute an. Es liegt nahe, in ihm Gemeindeleiter, Pastorinnen oder ausgewiesene Evangelisten zu sehen. Die sind von Gott an die Kreuzungen geschickt und erzählen anderen von Jesus. Aber ist es so einfach? Gilt nicht das Rufen des Geistes Gottes jedem Christen? Sind wir nicht alle Philippusse oder Philippas? Dann würde das für uns bedeuten:

  • Ich bin mir dessen bewusst, dass Gott mich rufen und losschicken kann.
  • Ich fahre diese Antenne bewusst aus und achte auf Hinweise, was heute dran ist.
  • Ich bereite mich darauf vor, überlege mir, was ich jemand erzählen könnte, der mich nach dem Glauben fragt.
  • Wenn ich Gottes Rufen höre, stehe ich auf und gehe los.
  • Wenn ich jemand an einer Kreuzung des Lebens treffe, dann höre ich erstmal zu, was er braucht.
  • Ich lasse mich in der Begegnung von Gottes Geist leiten. Vielleicht gebe ich der Person etwas weiter, vielleicht passt es nicht, dann bete ich und segne die Person im Stillen.
Obwohl ich eindeutig zu der ersten Zielgruppe gehöre, für die Philippus steht, Pastorin bin und genau weiß, dass solche Begegnungen an Kreuzungen kommen können, entdecke ich doch auch bei mir Hindernisse: Ich habe meine Antenne eingefahren, mir ist das Aufstehen und Losgehen zu mühsam, ich habe Angst, etwas Falsches zu sagen. Und schon ist die Gelegenheit verstrichen, und ich kann nur hoffen, dass da noch ein anderer Philippus zu der Person geschickt wird, der es besser macht als ich.

Was mir hilft, ist, mich bewusst darauf vorzubereiten, dass eine solche Situation heute kommen könnte. Ich will hören – auf Gott, hören – was mir Menschen heute erzählen, hören – was Gott dieser konkreten Person mitgeben will, und dann werden die richtigen Antworten kommen.

Apostelgeschichte 8,35-39
Philippus nahm die Frage auf. Ausgehend von dem Wort aus Jesaja, verkündete er ihm die Gute Nachricht von Jesus. Als sie auf der Straße weiterfuhren, kamen sie an einer Wasserstelle vorbei. Der Eunuch sagte: »Sieh doch, dort ist eine Wasserstelle. Spricht etwas dagegen, dass ich getauft werde?« Er befahl, den Wagen anzuhalten. Beide, Philippus und der Eunuch, stiegen ins Wasser, und Philippus taufte ihn. Als sie aus dem Wasser herausstiegen, wurde Philippus vom Geist des Herrn fortgenommen. Der Eunuch sah ihn nicht mehr. Aber er setzte seinen Weg voller Freude fort. 

Philippus hörte die Frage des Äthiopiers: „Wer ist der Knecht Gottes, von dem Jesaja redet?“ Er konnte ganz leicht anknüpfen und von Jesus, dem Sohn Gottes erzählen, der diese Rolle für uns annahm.

Was würden wir von Jesus erzählen? Es wäre ein spannendes Experiment, uns jetzt in Kleingruppen aufzuteilen, und jede hätte drei Minuten Zeit, den anderen das Wichtigste von Jesus zu erzählen. Meine Erfahrung damit ist, dass es leichter ist, eine Jesus-Geschichte zu erzählen und an ihr zu veranschaulichen, wer Jesus ist, als den anderen mit Fakten zu konfrontieren.

Dem Äthiopier würde ich die Zachäus-Geschichte erzählen. Wie Zachäus war der Eunuch „anders“ als die Mehrheit, hatte viel Geld, aber war damit offenbar nicht glücklich. Zachäus ist auf einen Baum gestiegen, allein. Jesus holte ihn herunter und ging mit ihm in sein Haus. Jesus holt auch den Äthiopier aus seinem einsamen Wagen auf einer menschenleeren Straße. Er holt ihn ab in seiner Sehnsucht und seinem Schmerz und lädt ihn in seine Gemeinschaft ein. Zwar wird auf der Landstraße im Gaza-Streifen nicht gegessen, aber es findet eine Taufe statt, der Finanzbeamte wird in die Familie Jesu aufgenommen. Er wird allein weiterreisen, doch er weiß sich von Jesus und der Fürbitte des Philippus begleitet. 

Eine gute Hausaufgabe wäre das für diese Woche, uns zu überlegen, welche Jesus-Geschichte uns so nahe ist, dass wir sie weitergeben würden, wenn wir jemand an einer Kreuzung treffen. Geschichten Jesu, die sich mit dem eigenen Leben verbinden, eignen sich bestens. Sie sind glaubwürdig und helfen unserem Gegenüber, Jesus zu verstehen.

Der Äthiopier macht uns in diesen Tagen Mut. Wie wir gerade kontaktbeschränkt sind, so ist er allein durch die Gegend gefahren. Doch Gottes Geist erreichte ihn, ließ ihn den Menschen treffen, der ihm helfen konnte, und rief ihn in eine neue Gemeindefamilie. 

Genauso kann es uns gehen – als Äthiopier, Äthiopierin, die auf der Suche nach mehr ist, oder als Philippus, Philippa, die erfährt, dass diese Begegnung heute von Gott vorbereitet ist, weil sie auf einen Menschen trifft, mit dem Gott seine Geschichte fortsetzen will.

Jesus sagte zu Zachäus beim Abschied:
„Heute ist in deinem Haus das Glück Gottes eingekehrt, wie sehr wünsche ich mir, noch mehr Verlorene zu finden und ihr Leben heil zu machen.“ (Lukas 19,20 Übersetzung Willkommen Daheim)

Cornelia Trick


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