Im Paradiesgarten (Johannes 20,11-18)
Ostergottesdienst am 05.04.2015 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
am frühen Ostermorgen befanden sich nach der Darstellung des Johannesevangeliums drei Personen am Grab (Johannes 20,1-18), sie führen uns beispielhaft vor Augen, wie Menschen auf die Auferstehung Jesu reagieren und was sie bei ihnen auslöst. Wir können diese drei Personen beobachten, sie begleiten, uns an sie dranhängen und mit ihnen den Weg vom offenen Grab weitergehen.

Da ist zuerst Maria Magdalena. Sie sieht ein leeres Grab und rennt am frühen Morgen des Ostertages zu den zwei besonderen Jüngern, Petrus und dem Lieblingsjünger Jesu. Petrus, die zweite Person, sieht das leere Grab und die Grabbinden ohne Jesus. Erinnert er sich an die Vorhersage Jesu, dass er wieder zum Vater geht? Von ihm berichtet das Evangelium, dass er einfach nach Hause geht, ohne Reaktion, ohne Verständnis. Ostern wird es bei ihm erst später, als er dem Auferstandenen am See Tiberias sehr persönlich begegnet. Dort kommt Jesus auf ihn zu, bietet ihm die Hand an und zieht ihn heraus aus seiner Verzweiflung, seinem Verrat und seiner Untreue. Ostern wird es für Petrus nicht am Ostermorgen am leeren Grab, sondern als Jesus ihm zuspricht: Dir ist deine Schuld vergeben. Auch der Lieblingsjünger kommt ans leere Grab. Er sieht die Grabbinden wie Petrus, und anders als von Petrus wird von ihm berichtet, dass er glaubt. Er braucht keine Jesus-Begegnung. Er war immer so nah an Jesus dran, dass er keinen Zweifel hat: Jesu Prophezeiung ist eingetroffen. Jesus hat den Tod überwunden und ist erhöht worden. Er ist wieder bei seinem Vater im Himmel.

Johannes 20,11-18

Maria stand noch draußen vor dem Grab und weinte. Dabei beugte sie sich vor und schaute hinein.
Da sah sie zwei weiß gekleidete Engel. Sie saßen an der Stelle, wo Jesus gelegen hatte, einer am Kopfende und einer am Fußende. »Frau, warum weinst du?«, fragten die Engel. Maria antwortete: »Sie haben meinen Herrn fortgetragen und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben!« Als sie sich umdrehte, sah sie Jesus dastehen. Aber sie wusste nicht, dass es Jesus war. Er fragte sie: »Frau, warum weinst du? Wen suchst du?« Sie dachte, er sei der Gärtner, und sagte zu ihm: »Herr, wenn du ihn fortgenommen hast, dann sag mir, wo du ihn hingelegt hast. Ich will hingehen und ihn holen.« »Maria!«, sagte Jesus zu ihr. Sie wandte sich ihm zu und sagte: »Rabbuni!« Das ist Hebräisch und heißt: Mein Lehrer! Jesus sagte zu ihr: »Halte mich nicht fest! Ich bin noch nicht zum Vater zurückgekehrt. Aber geh zu meinen Brüdern und sag ihnen von mir: 'Ich kehre zurück zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.'« Maria aus Magdala ging zu den Jüngern und verkündete: »Ich habe den Herrn gesehen!« Und sie richtete ihnen aus, was er ihr aufgetragen hatte.

Maria kehrt allein zum Grab zurück, so beschreibt es der Evangelist Johannes. Sie nähert sich dem Grab und schaut hinein. Sie sieht nicht nur ein leeres Grab wie die Jünger, sondern zwei Engel, die sie ansprechen. Sie locken sie, so dass sie ihr Herz ausschüttet. Jesus ist gestohlen, so interpretiert sie das leere Grab, die Vergangenheit ist seit Karfreitag tot und nun auch die Gegenwart. Sie sucht Jesus im Grab, aber er ist nicht mehr da. Sie weiß nicht, dass sie Jesus nicht mehr bei den Toten finden wird. Sie wird sich umdrehen, ihre Blickrichtung ändern müssen, um Jesus zu finden. Sie wird nicht den Jesus finden, den sie bis dahin kannte, sondern den Auferstandenen, der ihrem Leben nochmal eine völlig neue Richtung geben wird.

Doch schauen wir uns die Geschehnisse genau an und verfolgen wir Marias Bewegungen. Sie antwortet den Engeln und dreht sich um, heraus aus der Grabhöhle. Sie flieht von dem Ort ihrer zerstörten Hoffnung. Ihre Augen sind tränenverhangen, nur schemenhaft sieht sie einen Mann vor sich und vermutet wohl in ihm einen Gärtner. Der Mann spricht sie an: Was weinst du? Wen suchst du? 

Hier wissen wir als Kenner des Johannesevangeliums schon mehr als Maria. Ganz am Anfang des Wirkens Jesu kamen zwei Jünger des Täufers Johannes zu Jesus. Sie waren wohl neugierig auf den Mann, von dem ihr Lehrer sagte, er sei das Opferlamm Gottes. Und Jesus spricht sie an mit den Worten: „Was sucht ihr?“ Es ist wohl die Frage Jesu, die uns Menschen ins Herz trifft. Was oder wen suchen wir? Wohin geht unsere Sehnsucht? Was suchen wir mit Süchten, die manche von uns gefangen halten? Wohin richtet sich unsere Aufmerksamkeit? Und gleichzeitig gibt Jesus mit dieser Frage zu verstehen, dass er der Grund unserer Suche ist, er uns finden will und von uns gefunden sein möchte.

Maria antwortet dem Gärtner. Sie erwartet, dass er ihr Auskunft über den Verbleib der Leiche geben kann. Während sie spricht, so macht es uns Johannes deutlich, geht sie am Gärtner vorbei. Sie blickt nicht auf, ist völlig in ihrer Trauer und Verwirrung gefangen. Innerlich ist sie noch an der Grabhöhle. Da hört sie ihn rufen: „Maria“, ihr Name ist der Schlüssel zur Erkenntnis. Sie wendet sich um, es ist die Ostersekunde, die alles verändert. So beim Namen rufen, das kann nur einer, nämlich Jesus. Er ist der gute Hirte, der von sich sagte: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir, und ich gebe ihnen das ewige Leben, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“ (Johannes 10) 

Maria will den gefundenen Jesus umarmen, doch er wehrt ab. „Rühr mich nicht an!“ Vielleicht bedeutet dieser Satz, dass sie Jesus nicht festhalten kann. Sie muss ihn loslassen. Er ist nun nicht mehr der, der neben ihr her durch Galiläa läuft, sondern der Herr der Welt, der unverfügbar ist. Die Ostersekunde, in der Maria die Augen aufgetan werden, lassen sie einen anderen Jesus sehen, der immer mit ihr sein wird, auch über den Tod hinaus, den sie aber nicht in ihre Vorstellungen pressen kann. 

Drei Personen werden an diesem Ostermorgen ins Scheinwerferlicht gerückt. Drei verschiedene Zugänge zu Ostern werden dabei beleuchtet. 
Petrus kann Ostern erst feiern, als sein Verrat vergeben und aus der Welt geschafft ist. 

Gibt es etwas, das zwischen Jesus und mir heute Morgen steht? Das mich am Osterjubel hindert, weil ich genau weiß, dass Jesus traurig über mich ist? Vielleicht ist es mir heute Morgen auch danach, einfach nach dem Gottesdienst nach Hause zu gehen. Da wird mir Mut gemacht. Jesus bringt sein Verhältnis zu Petrus in Ordnung. Er wird auch mir begegnen, mir Zeichen geben, dass er mir vergibt.

Der Lieblingsjünger kann mit Freude glauben. Er braucht keine Jesusbegegnung, denn er ist Jesus immer nahe gewesen. Dieser besonders von Jesus herausgeliebte Jünger hat es zwar einfacher zu glauben, aber er bekommt Aufgaben von Jesus, er hatte unter dem Kreuz schon Maria, die Mutter Jesu anvertraut bekommen, sie sollte er in die zukünftige Gemeinde mitnehmen. Später erhält er von Jesus den Auftrag, Gemeinden zu gründen, Menschen von Jesus zu erzählen und sie im Glauben zu unterrichten. Vielleicht kann mancher oder manche so selbstverständlich wie er am Grab stehen und bekennen: „Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden“. Das ist keine Botschaft von Leuten, die am liebsten gemütlich auf der Couch sitzen bleiben wollen, sondern sie fordert heraus, es anderen weiterzusagen, Glauben zu teilen und mitzuteilen. Solche Lieblingsjünger Jesu sind wichtig, damit die Botschaft weitergeht und Gemeinden Jesu gegründet werden und wachsen.

Maria wurde bei ihrem Namen gerufen. In dieser Ostersekunde erkannte sie Jesus. Sie wendete sich um, verließ ihre Vorstellungen und Annahmen und wurde aufmerksam auf Jesus. Sie fasste nach ihm und musste lernen, ihn mit offenen Händen immer wieder neu zu empfangen. Sie steht für jemand, der irgendwann etwas über Jesus gehört hat, der sich auch Gedanken dazu gemacht hat, der Jesu Ethik bewundernswert findet, aber an ihn als Erlöser nicht glauben kann. Dieser Jemand sieht Jesus nicht in seinem Alltag, obwohl Jesus ihm vielfältig begegnet. Erst als er seinen Namen hört, in einer existentiellen Situation zum Beispiel Antwort auf ein Stoßgebet bekommt, wendet er sich um und erkennt, wo Jesus überall in seinem Leben schon war.

Es gibt sicher auch noch eine vierte Person, die sich weder in Petrus, noch im Lieblingsjünger, noch in Maria wiederfindet. Sie ist Beobachterin von außen. Sie liest quasi das Evangelium wie eine Geschichte aus alter Zeit. Wird sie Jesus in der Ostergeschichte erkennen? Es ist ein Wunder, dass Jesus auch heute noch in den Gärten unseres Lebens unterwegs ist und sich zu erkennen gibt. Wir haben es nicht in der Hand, wir können ihn nur darum bitten.

Ostern bedeutet für alle Beteiligten, nicht so weiterzumachen wie bisher. Der Tod ist besiegt, wir haben seit Ostern die Hoffnung, dass Gott eingreift, das können wir nicht für uns behalten, sondern werden es weitererzählen wie Maria den Jüngern damals.

Die Szene findet in einem Garten statt. Es ist sinnbildlich der neue Paradiesgarten, in dem nun Jesus der Baum des Lebens ist, der für die Ewigkeit steht. Unsere Gräber, die zu Ostern prachtvoll geschmückt werden und in bunten Frühlingsfarben blühen, sind kleine Paradiesgärten. Sie geben Zeugnis von unserer Hoffnung, dass auch die Verstorbenen bei ihrem Namen gerufen wurden und nun bei Jesus sind. Auch unsere Gemeinde ist ein solcher Paradiesgarten. Jesus ist hier gegenwärtig. Er kennt uns alle beim Namen und wir haben seine Anrede gehört. Wir können in diesen Gemeinde-Paradiesgarten kommen, wie wir sind:

  • Petrus-ähnlich mit Steinen im Gepäck und der Hoffnung, dass Jesus sie abnimmt,
  • Lieblingsjünger-ähnlich, indem wir fröhlich glauben, weitersagen und Paradiesfrüchte verteilen,
  • Maria-ähnlich, weinend und mit der Erwartung, dass Jesus uns ruft, eine Ostersekunde alles ändert
  • oder wie die vierte Person, aus der Distanz zu Jesus gerufen und von ihm in der Tiefe der Seele berührt mit der Frage: „Was und wen suchst du eigentlich?“
Cornelia Trick


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