An Gottes Segen ist alles gelegen
Gottesdienst am 29.07.2001

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
der evangelische Kirchentag in Frankfurt ist zwar schon über einen Monat her, doch die ersten Anstöße zu dieser Predigt heute bekam ich dort. Es gab viele Diskussionen im Vorfeld des Kirchentages und so war ich erst skeptisch, ob dieser Kirchentag die Botschaft Gottes für uns Menschen wirksam herüberbringen könnte. Doch schon bei der ersten Bibelarbeit wurde ich mitgerissen. Eine Kraft ging von Gottes Wort aus und riss mich mit. Wir sangen Worte des Psalmisten und die Seele, der Verstand, alles an uns sangen mit: "Der Herr ist für mich, darum fürchte ich mich nicht.", "Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Worte verkünden." (Psalm 118,6.17) Es war eine stärkende Erfahrung, Gottes Segen zu umfangen, der uns durchströmt und verändert.

Die Sommerzeit ist eine Zeit der Umbrüche. Kinder und Jugendliche kommen in die Schule und ein neues Schuljahr, manche orientieren sich im 2. Halbjahr beruflich neu, Umzüge stehen an oder sind gerade getätigt. In allen Veränderungen drängt sich die Frage auf, wie es weitergeht, was Halt und Kraft in der neuen Zeitspanne geben kann. Wir haben es nötig, dass unser Glaube an den auferstandenen Jesus Christus gestärkt wird, dass wir Kraft von Gott bekommen und in ihm Gewissheit erfahren. Wir haben es nötig, von Gott gesegnet zu werden und uns ihm wieder neu anzuvertrauen. Wenn wir nach dem Urlaub den Alltag wieder neu anpacken, in der Sommerpause getankt haben, dann können wir von dem Geschenk Gottes anderen etwas abgeben, den Segen weitergeben, selbst segnen.

So ist der Segen mir in diesen Wochen zum echten Anliegen geworden. Mit dem Segen lernen wir Gottes Weise kennen, uns zu beschenken, und Gottes Auftrag, andere zu beschenken.
Im sogenannten aaronitischen Segen lernen wir Urgestein des Segens kennen. Gott gab ihn Aaron und seinen Söhnen als sein Wort an die Kinder Israels.

4. Mose 6,22-27

Und der HERR redete mit Mose und sprach:
Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet:
Der HERR segne dich und behüte dich;
der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
der HERR hebe sein  Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
Denn ihr sollt meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.

Dieser Segen ist wie ein Band, das aus 3 Fäden geflochten ist.

Band, Bergseil
Jeder der drei Fäden hat seine eigene Bedeutung und auch alle Fäden zusammen verflochten geben einen neuen Sinn. Vielleicht entdecken Sie dabei Ihren Faden oder die Fäden, das Band, das Sie brauchen, um Gottes Segnen neu zu erfahren und es weitergeben zu können.

Das erste Band. Der HERR segne dich und behüte dich

Im hebräischen Urtext steht hier kein Konjunktiv, sondern ein Indikativ. Es besteht keine Frage und kein Zweifel, der Herr segnet dich und behütet dich. Wie eine große Überschrift steht das über allem. Der Herr, der uns geschaffen hat, der lässt uns nicht allein. Er ist nicht wie der Fabrikant, der für ein neu gekauftes Produkt nur ein halbes Jahr Garantie gewährt, der Herr sorgt sich um uns Geschöpfe, er möchte uns anschließen an seine Kraft und Hindernisse aus dem Weg räumen. Der Herr, der sich uns in Jesus Christus gezeigt hat, sagt uns hier seinen Segen zu, er schützt und begleitet uns im Alltag. Und jeden Morgen sollen wir es als sein Wort wieder neu hören und zu Herzen nehmen: Ich bin nicht allein, meine Entscheidungen stehen unter Gottes Segen und Schutz, die Fahrt mit dem Auto geschieht unter Gottes wachsamen Augen.

Das erste Band ist damit zugleich auch Herausforderung, sich wirklich segnen und behüten zu lassen. Mir ist da mein Regenschirm ein gutes Beispiel. Wie dieser den Regen von mir abhält, so kann ich mir einen inneren Regenschirm zulegen, der alle Fürsorge Gottes an mir abprallen lässt. Oder ich steige mit einer wasserdichten Regenkluft in ein wunderbares Entspannungsbad. Auch so kommt nichts von der wohltuenden und kräftigenden Wirkung bei mir an. Es kommt bei diesem ersten Band also darauf an, für Gottes Zuwendung offen zu sein, den Schutzschirm einzupacken, die Regenjacke wegzulegen und Gottes Liebe freie Bahn zu lassen. Wie ich das auf dem Kirchentag erlebt habe, hilft dabei zu singen und den Herrn mit Liedern in mein Herz zu lassen. Es hilft, an der frischen Luft dem Gespräch mit Gott Raum zu geben, ohne dass Pflichten und Anforderungen gleich wieder hinter mir stehen. Und es ist ein kostbarer Schatz, Bibelworte auswendig zu lernen und sie im wahrsten Sinne des Wortes jederzeit griffbereit zu haben. Und sagen Sie nicht, Sie können nicht auswendig lernen. Spätestens alle zwei Jahre müssen wir neue Geheimnummern für unser Konto lernen – da ist sicher auch mal ein Bibelwort dran, dass uns den Weg zu unserem himmlischen Konto freimacht.

Das zweite Band. Der HERR lässt sein Angesicht leuchten über dir und ist dir gnädig

Dieses Band ist länger. Hatte das erste Band unseren ganz normalen Alltag zum Inhalt und wollte es uns Gottes Schutz zusagen, handelt das zweite Band vom Gottesdienst. Der Gottesdienst war der Ort, an dem das Volk Israel Gottes Angesicht, seine Nähe suchte. So wird uns berichtet, wie der Hohepriester mit leuchtendem Angesicht aus dem Allerheiligsten trat. Mose kam mit leuchtendem Angesicht vom Berg Sinai hinab. Die unmittelbare Begegnung mit Gott veränderte und erleuchtete. Denn wen Gott ansah, über den oder die erbarmte er sich, er tröstete, liebte und wärmte. Umgekehrt galt, von wem Gott sein Angesicht abwandte, der war schon so gut wie tot und erlitt bittere Kälte.

Gottes Volk in Jesus Christus macht immer noch die gleiche Erfahrung. Wen Jesus Christus ansieht, dessen Leben wird heil, der oder die erfährt Vergebung und Neuanfang, der oder die weiß, dass er oder sie eine Aufgabe hat in dieser Welt. Denn der Unerreichbare kümmert sich um Sie, um mein kleines und unbedeutendes Leben.

Wo kann das zweite Segensband sich mit unserem Leben verbinden? Einmal in der Woche im Gottesdienst? Das ist für mich und viele in der Gemeinde sehr wichtig, aber nicht genug. Die katholischen Kirchen stehen immer offen. Wer dieses Angesicht Gottes nicht nur innerlich sucht, sondern auch äußerlich einen Anhaltspunkt dafür sucht, kann immer kommen, in der Betbank niederknien, eine Kerze entzünden als Zeichen der Fürbitte und Gebetserhörung. Wir Evangelischen sind nüchterner, wissen wir doch, dass Gottes Angesicht nicht auf heilige Räume beschränkt ist. Und so ist die Kirche abgeschlossen. Aber ich frage mich, ob wir nicht doch auch in besonderen Situationen oder am Ende eines langen Tages eine offene Kirche brauchen, einen Ort, wo wir einerseits zu Hause sind, uns andererseits aber nichts ablenken kann von Gottes Gegenwart. Einen Ort, wo wir sein können wie wir sind, unvollkommen, schuldig, bedürftig, beladen oder glücklich und froh voller Dank im Herzen.

Vielleicht sollten wir mal den Versuch starten und die Kirche zu gewissen Stunden öffnen, ohne Programm, sondern als Herberge auf dem Weg durch das Leben, Station zum Auftanken und Ausruhen. Davon abgesehen gibt es ja noch mehr solcher Orte, wo uns der Heilige Geist Gottes erfassen will. Es kann geschehen im Nachdenken über biblische Aussagen, in einem Gespräch, das in die Tiefe führt, beim Beten auf dem Sofa, beim Singen. Und genau wie beim ersten Band kommt es darauf an, den Kopf zu heben, um vom leuchtenden Angesicht Gottes berührt zu werden.

Das dritte Band. Der HERR hebt sein  Angesicht über dich und gibt dir  Frieden

Dieses dritte Band ist nun am längsten. Hier wird unser Blick über den eigenen begrenzten Horizont geweitet. Eine umfassende Friedensordnung ist im Blick. Mit mir hat es angefangen, als Gott sein Angesicht über mich gehoben hat, als mich sein Sohn Jesus Christus angesehen hat. Gottes Segen wird hier zu einer offensiven Kraft. Er gestaltet nicht nur mich und mein Leben, er wirkt genauso in meinem Umfeld und stellt mich in seinen Frieden hinein.

Ich stelle mir einen richtigen Familienzoff vor. Man schreit sich an, empfindet Wut, heult, weil man sich nicht verstanden fühlt, Türen werden geschlagen und die Beteiligten bauen dichte Wände der Verteidigung gegeneinander auf. Da erinnert sich eine Beteiligte an dieses Band. Gott gibt Frieden, er zeigt den Weg, wo die Familienmitglieder ihre Türen wieder zueinander öffnen können, wo sie Verständnis füreinander finden und vergeben. Sie ergreift dieses Band und hält es ganz fest. Der Friede breitet sich in ihr aus. Sie kann plötzlich ihren eigenen Anteil am Streit erkennen. Sie entwickelt Verständnis. Und – das Erstaunlichste – sie kann um Vergebung bitten und vom hohen Ross der Selbstverteidigung herabsteigen. Durch sie kann dieser Friede Gottes, den Jesus uns am Kreuz vorgelebt hat, in ihre Familie fließen und die anderen mitreißen.

Aber auch bei diesem dritten Band gibt es die Möglichkeit, sich dem Frieden Gottes zu verschließen: "Ich will aber nicht vergeben und vergeben bekommen. Ich will mein Recht und ich bin im Recht!" Sich dem Frieden öffnen ist eine lebenslange Aufgabe und heißt Jesus Christus ins eigene Ich einzulassen und es ihm wirklich zuzutrauen, dass er heil macht. Das ist nicht immer so einfach wie vielleicht beim kleinen Familienzoff. Für manche ist das eine so große Herausforderung, dass sie es nicht allein schaffen. Sie suchen sich einen Freund, der mitbetet, der sie in der Fürbitte begleitet, der ihnen die Vergebung Gottes zuspricht und ihnen Mut zum nächsten Schritt macht. Und wie den Gottesdienstraum brauchen wir hier in der Gemeinde solche Freunde, die uns spüren lassen, dass Gott mit uns ist.

Die drei Bänder des Segens

Die drei Bänder des Segens Gottes sind für uns als christliche Gemeinde Zeichen, wie Gott als Schöpfer, als Sohn und Heiliger Geist in unser Leben tritt. Gott, der uns erschaffen hat, behütet uns. Jesus, der Gottes Liebe uns gezeigt und vorgelebt hat, ist uns gnädig, weil er uns vergibt. Der Heilige Geist, der Gott in uns wohnen lässt, drängt durch uns in unsere Umgebung. Die drei Bänder werden zu einem starken Segensband. Das Segensband drängt darauf, mit immer mehr Menschen verknüpft zu werden. Der segnende Christus am Kreuz hat für immer seine Hände über uns erhoben, um uns zu segnen. Er bevollmächtigt uns durch seinen Geist, selbst zu Segnenden zu werden.

Da sind die Eltern, die ihre Kinder mit dem Segen auf den Schulweg schicken. Da sind die Ehepaare, die einander im Segen Gottes begleiten und daran glauben, dass der Segen durch sie in die Welt geht und fruchtbar für andere wird. Da ist die Tochter, der Sohn, der die Mutter, den Vater am Sterbebett segnet und diesen Segen vom Sterbenden empfängt. Da ist die Angestellte, die ihre streitbaren Kollegen dem Segen Gottes anbefiehlt.

Der Segen ist damit noch keine Schleuderware, die im Sommerschlussverkauf möglichst billig unter die Leute gebracht wird. Aber der Segen ist Auftrag, den wir keiner und keinem vorenthalten können. Im 1. Brief des Petrus wird das so den Gemeindegliedern anbefohlen: Vergeltet Böses nicht mit Bösem, und gebt Beleidigungen nicht wieder zurück! Im Gegenteil, segnet eure Beleidiger, denn Gott hat euch dazu berufen, seinen Segen zu empfangen. (1. Petrus 3,9) Das Band des Segens verbindet uns mit Gott, seinem Volk Israel, ist mit Jesus Christus auf alle Völker ausgebreitet – bis zu Ihnen und mir ist das Band des Segens gekommen und hat noch viele Meter frei, um andere in den Segensstrom Gottes hineinzunehmen.

Wir dürfen Jesus Christus von Herzen danken, ihn loben und preisen, dass wir durch ihn Gottes Segen in unserem Leben erfahren dürfen. Er dient uns zur Stärkung in ungewissen Zeiten des Übergangs, er hilft in Ängsten, Bedrohungen und Nöten, er schenkt uns Liebe, wo unser Herz krank ist oder wir uns selbst nicht mehr ansehen mögen, er schubst uns an, diesen Segen anderen weiterzugeben. Dabei sind wir nicht auf Worte festgelegt, sondern dem Inhalt verpflichtet, wie Dietrich Bonhoeffer es einmal ausdrückte:

Segnen, das heißt die Hand auf etwas legen und sagen, du gehörst trotz allem Gott!

Schon im alten Israel stand der aaronitische Segen am Ende des Gottesdienstes:
Und das Volk betete zum Herrn, dem Höchsten, dem Barmherzigen, bis der Gottesdienst beendet war und sie ihre priesterlichen Pflichten vollbracht hatten.
Wenn der Priester nun wieder herabschritt, so hob er seine Hand auf über die ganze Gemeinde Israel und rief über sie den Segen des Herrn aus, und sein Ruhm war es, den Namen des Herrn auszusprechen.
Da beteten sie abermals und nahmen den Segen vom Höchsten an.
Nun danket alle Gott, der große Dinge tut an allen Enden, der uns von Mutterleib an lebendig erhält und uns alles Gute tut.
Er gebe uns ein fröhliches Herz und verleihe immerdar Frieden zu unsrer Zeit in Israel,
und dass seine Gnade stets bei uns bleibe und uns erlöse, solange wir leben.
(Jesus Sirach 50,21-26)

Cornelia Trick


Home


Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
Internet-Adresse: http://www.predigt-online.de/prewo/prewo_an_gottes_segen_ist_alles_gelegen.htm